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Mit scharfer Klinge und viel Gefühl

10. Dezember

Wenn ich an das Weihnachten meiner Kindheitstage denke, erinnere ich mich vor allem an die gemütlichen Schnitz-Nachmittage bei meinem Opa. Er ist Hobbyschnitzer und hat im Keller eine Werkstatt. Obwohl – Werkstatt ist eigentlich zu viel gesagt, eher ein Kämmerlein. Dort verbrachten wir in der Adventszeit so manche Stunde – dicht gedrängt,
kein Holzspan passte mehr zwischen uns. Mit viel Hingabe wies er mich in die Schnitzkunst ein. Mit allerlei scharfen Messern und Eisen ausgerüstet, wagte ich mich an meine ersten „Kunstwerke“. Wobei die Kunst zunächst wohl eher darin bestand, zu erraten, was ich da geformt hatte. Ich lieferte die Erklärung folglich stets gleich mit, damit es bei Pilz und Baum zu keiner Verwechslung kam. Aber Übung macht ja bekanntlich die Schnitz-Meisterin: Mein Opa war geduldig und ich lernte schnell. Ich schnitt, kerbte, hob Span für Span ab und schließlich entstanden Rehe, Schafe und Pferde, die nun endlich auch als solche eindeutig zu erkennen waren. Ich war unheimlich stolz. Und mein Opa erst! Bei Weihnachtsmusik und einer Tasse Kakao vergaßen wir oft die Zeit und tauchten erst in den späten Abendstunden wieder aus unserer Wichtelwerkstatt auf – müde und geschafft, aber glücklich. Dann ließen wir den Abend gemütlich ausklingen und ich bestaunte immer wieder aufs Neue die geschnitzten Figuren, die mein Opa zu Hunderten in seiner Wohnung, die eher einem Holzkunst-Museum gleicht, stehen hat.

Ob diese schönen Momente meinen Berufswunsch beeinflusst haben, als ich mich vor acht Jahren für eine Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin bei Wendt & Kühn entschied? Ich denke schon. Das Holz ließ mich nie wieder los, das müssen wohl die Holzwurm-Gene sein …

Julia Grünzig
Mitarbeiterin der Dreherei bei Wendt & Kühn