3

Von Menschen und Tieren

3. Dezember

Wenn der Winter vor der Tür steht, kommt es in meinem Elternhaus zu einem erhöhten Besucheraufkommen. Doch die Leute erscheinen nicht etwa zu Kaffee und Kuchen – ganz im Gegenteil, sie bringen uns sogar etwas mit: Kastanien und Eicheln in rauen Mengen. Bis zu 150 Kilo können da schnell zusammenkommen. Mein Papa hat dafür extra eine Kastaniensammelstelle eingerichtet, in der die kleinen braunen Kugeln rund um die Uhr entladen werden können. Nur die Kinder der Kindergarten-gruppe lassen es sich nicht nehmen, ihre gesammelten Werke bei meinem Papa höchstpersönlich abzugeben. Dazu muss man wissen: Er ist Jäger.
Um die Tiere seines Reviers in den kargen Wintermonaten füttern zu können, benötigt er die Leckereien dringend. Ist ein Kastanienfass voll, wird es mit Wasser und Salz aufgefüllt, um die Früchte haltbar und weich zu machen. Denn: Getrocknete Kastanien sind steinhart und nicht für kleine, schmale Rehkiefer bestimmt. Das wäre, als ob wir Menschen versuchen würden, Kokosnüsse zu kauen. Deshalb soll meine persönliche Weihnachtsgeschichte gleichzeitig auch Aufklärungsarbeit leisten, um mit diesem Mythos der getrockneten Kastanien aufzuräumen.

Seitdem ich denken kann, geht mein Papa im Winter jeden Tag mit seinem Futterrucksack in den Wald. Früher habe ich ihn oft begleitet –
zunächst Huckepack in seiner Rückentrage, später flitzte ich ihm davon. Heute komme ich leider nur selten dazu, aber wenn es sich doch einmal ergibt, genieße ich es in vollen Zügen. Dann erlebe ich den Wald ganz besonders bewusst und freue mich, dass wir den Tieren helfen können. Natürlich auch am 24. Dezember! Nicht nur für uns bereiten wir zum Weihnachtsfest ein leckeres Festessen zu, auch für Wildschwein, Reh und Hase stellen wir ein Weihnachtsmenü zusammen: Brot auf Heu, gespickt mit Mais samt Eichel-Kastanien-Garnitur. Wir wünschen Tier und Mensch guten Appetit und frohe Weihnachten.

Lisa Neuber
Projektmanagerin bei Wendt & Kühn