"Wenn ich an meine Omi denke, sehe ich eine warmherzige und stilvolle Frau"

Claudia Baer, geb. Wendt, Firmeninhaberin

Erinnerungen an Olly Wendt

Interview mit der Enkelin und heutigen Firmeninhaberin Claudia Baer

Frau Baer, wenn Sie von Olly Wendt sprechen, dann verwenden Sie oft die liebevolle Bezeichnung „meine Omi“. Was erwärmt Ihr Herz, wenn Sie an Ihre Omi denken?

Ich verbinde in der Tat sehr viele schöne Erinnerungen mit meiner Omi, die ich als eine warmherzige und freundliche Frau erlebt habe. Wenn ich als Kind zu ihr kam, mit einem Buch unter dem Arm, hat sie sich stets Zeit genommen, mir daraus vorzulesen. Gern hörte ich ihre wohltuende, beruhigende Stimme, die ihrem friedvollen Charakter entsprach. Ich habe sie niemals klagen hören oder im Streit mit jemandem erlebt. Und obwohl sie die meiste Zeit ihres Lebens im eher rauen Erzgebirge verbrachte, liebte sie immer den Strand und das Meer. Eine Sehnsucht, die ich übrigens teile.

Was gehört noch zu Ihren Erinnerungen an Olly Wendt?

diszipliniert sie war. Es gilt als verbrieft, dass sie jeden Arbeitstag ihres Lebens pünktlich um sechs Uhr morgens in der Malerei begonnen hat. Dort war ihr der Zusammenhalt der, wie sie sagte, „Mädels“ – darunter auch Frauen kurz vor dem Renteneintritt – sehr wichtig. Dazu wurde häufig gemeinsam gesungen. Bekannt ist ebenso, dass sie niemals Dederon-Schürzen, sondern stets geschneiderte Arbeitskittel trug.

War es schwer, sich als talentierte Designerin an der Seite von Grete Wendt im selben Unternehmen zu behaupten?

Tante Grete und Omi respektierten sich, beiden war die Meinung der jeweils anderen äußerst wichtig. Es herrschte kein Konkurrenzkampf. Wohl aber ein beflügelnder Wettstreit, in dessen Ergebnis wir heute über einen wundervollen Musterschatz verfügen, der durch zwei sehr unterschiedliche künstlerische Handschriften geprägt worden ist.

Sie war eine fleißige und disziplinierte Malerin, eine begabte Designerin und eine sehr stilvolle Frau, die Literatur und Musik überaus liebte. Es verwundert also nicht, dass sie gern las und klassische Musik hörte. Einen Fernseher hingegen besaß sie zu keiner Zeit. Sie hatte als Kind Tanz- und Klavierunterricht genommen, auch Zeichenunterricht bei einer Künstlerin. Zur Wohnkultur – und das keinesfalls nur an Festtagen – gehörte eine glatt aufgelegte Damast-Tischdecke mit den entsprechenden Stoffservietten. Außerdem erinnere ich mich daran, dass sie eine rege schriftliche Korrespondenz mit Verwandten und langjährigen Freundinnen in vielen Ländern pflegte. Dazu gehörten auch liebevoll ausgesuchte und verpackte Geschenke, die in der Vorweihnachtszeit – nach den jeweiligen Zielländern zeitlich gestaffelt – von Grünhainichen aus auf den (Post-)Weg gebracht wurden. Sie interessierte sich dafür, was in der Welt passierte, las Zeitungen und hörte gern Radio. Beeindruckt hat mich unter anderem, wie

Und da ist dann noch die Sache mit der Zitronenspeise … Was hat es denn damit auf sich?

Ja, meine Omi besaß ein Rezept für eine Zitronenspeise. Diese bereitete sie immer dann zu, wenn sich jemand in der Familie, im Unternehmen oder im Dorf nicht wohlfühlte. Diese Zitronenspeise schmeckte nicht nur gut, sondern sie war auch leicht und unterstützte nach Meinung meiner Omi die Heilung. Bald war die Speise populär und in Grünhainichen beliebt. Ich habe sie ebenfalls gern gegessen, auch wenn ich nicht erkrankt war, und bereite sie noch heute zu. Die Rezeptur ist überliefert und befindet sich in unserem Archiv.

Wir lüften für Sie ein Familiengeheimnis: Das Rezept zu Olly Wendts legendärer Zitronenspeise finden Sie hier.